Der Clankrieg der Rauriker

Wie aus Brüdern erbitterte Feinde wurden

Nach dem Ende des Großen Bärenkriegs, in dem die Rauriker ihre schlimmsten Feinde, die Wendools, besiegten, kehrte keine dauerhafte Einigkeit ein. Ohne die Ljoengarder, die einst das Volk unter dem Banner des silbernen Löwen vereint hatten, brachen alte Spannungen wieder auf. Jeder der vier großen Clans erhob Anspruch auf die Führungsrolle, getragen von ihrem Stolz, ihren Traditionen und ihrem Anspruch auf Vorherrschaft.

Die ersten Spannungen

Die Spannungen begannen, als die Blankarder erklärten, dass ihre ungezähmte Stärke und ihr endloser Kampfgeist sie zur natürlichen Führungsrolle bestimmten. Godwin Bärzwinger beschuldigte die Halvor, sich in ihren Bergen zu verstecken, und forderte die Vorherrschaft für seinen Clan ein. Swidger Adlerstolz reagierte mit Abscheu und verkündete, dass die Disziplin und die Ordnung seines Clans die Grundlage der Rauriker seien und die anderen Hagriks das Knie zu beugen hätten.

Die Nantwiga und Widukin, zunächst darauf bedacht, die Balance zu bewahren, konnten dem Ruf nach Macht jedoch nicht widerstehen. Dagny Mondquell, überzeugt, dass Weisheit und Geschick den Krieg entscheiden würden, entsandte Späherinnen, um die anderen Clans auszuhorchen. Isbert Grimmzahn hingegen schwieg – aber in den Schatten seiner Wälder rüsteten sich die Widukin.

Der Ausbruch des Krieges

Der Konflikt brach aus, als eine Truppe von Blankard-Kriegern, angeführt von ihrem Guiskard, ein Grenzdorf der Halvor niederbrannte. Die Halvor, empört über den Angriff, entsandten eine schwer gerüstete Armee, die die Blankard aus den Hügeln treiben sollte. Doch die barbarischen Kämpfer, im Kampfrausch von ihren Priestern angeheizt, führten erbitterte Gegenangriffe. Ein erstes Gefecht bei der Engen Klamm endete in einem unentschiedenen Blutbad.

Die Nantwiga nutzten die Gelegenheit, um Handelswege der Halvor und Blankard zu überfallen. Sie sammelten Ressourcen und setzten dabei Gifte ein, um die Moral ihrer Gegner zu schwächen und nutzten den Nebel der Seen, um ihre Gegner in tödliche Fallen zu locken. Gleichzeitig begannen die Widukin, die zunächst als Vermittler erschienen, die Schwächen ihrer Gegner auszunutzen, indem sie Überfälle auf die Außenposten aller drei Clans führten. Ihr Ziel war es, die Fehden zu verlängern, um schließlich als letzte Macht übrig zu bleiben.

Der harte Kriegswinter

Die Clans führten erbitterte Kämpfe, wobei sich die Widukin in den Wäldern und die Nantwiga in den Sümpfen Vorteile verschafften. Die Blankard, angeheizt durch ekstatische Rituale, führten brutale Angriffe, die jedoch nicht immer strategisch klug waren. Im Winter kam es zu einem Stillstand, da die Widukin erfolgreich Nahrungsmittelvorräte sabotierten und die Halvor sich in ihre Festungen zurückzogen.

Das Frühjahr des Blutvergießens

Im Frühling griffen die Blankard mit neuem Elan an, wobei sie von ihren Priesterkriegern angeführt wurden, die den Gegner mit brennenden Geschossen und blutigen Opferritualen einschüchterten. Die Nantwiga setzten weiterhin auf schnelle Überfälle, wobei ihre Heilerinnen die Verluste ihres Clans gering hielten. Die Halvor starteten eine Offensive gegen die Blankard, wurden jedoch von einem Hinterhalt der Widukin aufgehalten.

Die Schlacht der vier Winde

Der Höhepunkt des Krieges war die sogenannte Schlacht der vier Winde. Sie wurde ausgetragen auf den Falkenfeldern, einer weitläufigen Ebene zwischen den Hügelländern und den Bergen, die ihren Namen von den zahlreichen Raubvögeln trug, die in diesen Weiten jagten. Hier trafen die vier Clans der Rauriker in einem beispiellosen Zeugnis von Stärke, List, Disziplin und Wildheit aufeinander. Die Sonne stand blass am Himmel, verborgen hinter einer dichten Wolkendecke, als die Heere sich sammelten.

Die Aufstellung der Armeen

Die Halvor errichteten ihr Lager auf einer Anhöhe am östlichen Rand der Felder. In makelloser Formation standen ihre Krieger, geschützt durch Kettenhemden und Schilde, bereit. Ihre Speerträger formten eine schier undurchdringliche Phalanx, die wie ein lebender Wall aus Stahl wirkte. Hinter ihnen erhoben sich die Banner mit dem weißen Adler, der im Wind flatterte.

Die Blankarder sammelten sich in den Hügeln des Nordens. Ihre Krieger, mit blauen Kriegsbemalungen und kalkweißen Schädeln, brüllten rituelle Schlachtrufe, während die Teutatespriester zornige Gebete aufsagten. Ihre doppelschneidigen Äxte und Kriegshämmer funkelten bedrohlich in der Ferne.

Die Nantwiga positionierten sich in den sumpfigen Niederungen des Südwestens. Mit schnellen Bewegungen schlüpften die Amazonen durch das hohe Gras und die Wasserläufe, bereit, ihre Gegner aus dem Hinterhalt zu überraschen. Ihre weißen, kalkbemalten Lippen wirkten wie gespenstische Masken, und sie bewegten sich wie Schatten unter dem Türkis ihres Clanbanners.

Im Nordwesten schlichen die Widukin durch die Wälder am Rande der Felder. Sie nutzten die Deckung der Bäume und Felsen, um ihre Jäger und Bogenschützen zu postieren. Ihr Anführer, Isbert Grimmzahn, stand schweigend auf einem Felsvorsprung, während die Wölfe des Clans im Schutz der Dunkelheit heulten.

Der Beginn des Kampfes

Der Morgen brach an, und mit ihm die ersten Scharmützel. Die Blankard eröffneten die Schlacht, als sie brennende Fässer von Pech und Öl in die Linien der Halvor schleuderten. Die Flammen wüteten, doch die Phalanx der Halvor hielt stand. Ihre Speerträger bewegten sich in perfekter Synchronität und stießen den ersten Angriff der Blankard zurück.

Währenddessen versuchten die Nantwiga, eine Flanke der Halvor zu umgehen. Ihre schnellen Speerkämpfer griffen an und verschwanden wieder in den Nebeln, bevor ein Gegenangriff folgen konnte. Doch die Halvor waren vorbereitet. Eine Abteilung von Bogenschützen verschoss einen Pfeilhagel und zwang die Nantwiga zum Rückzug.

Die Widukin nutzten das Chaos, um ihre lautlosen Plänkler näher an die Kampfzone heranzubringen. Ihre Pfeile und Klingen, die mit Kräutergiften getränkt waren, fanden ihre Ziele in den Reihen der Blankard und Halvor gleichermaßen. Die Wächter der Wälder machten keine Unterschiede – sie jagten alle.

Das Chaos entfesselt

Am zweiten Tag der Schlacht wurden die Falkenfelder zu einem Meer aus Blut und Schreien. Die Blankard, angetrieben von den ekstatischen Gesängen ihrer Feuertänzerinnen, führten einen Frontalangriff gegen die Halvor. Ihre Kriegshämmer zerschmetterten Schilde, und die Reihen begannen zu bröckeln. Doch Swidger Adlerstolz rief seine Elitekrieger zusammen, und in einem verzweifelten Gegenangriff drängten sie die Blankard zurück.

Gleichzeitig griffen die Nantwiga die Widukin aus dem Hinterhalt an. Ihre schnellen, präzisen Speerwürfe und die Giftpfeile ihrer Jägerinnen trafen die Waldläufer hart. Doch die Widukin waren zähe Gegner. Sie zogen sich nicht zurück, sondern führten ihre Angriffe mit wölfischer Wildheit fort, stürzten sich in den Nahkampf und rissen ihre Gegner mit bloßen Händen nieder.

Der Wendepunkt

Am dritten Tag brach ein schwerer Regen über die Felder herein, der die Sicht verschlechterte und die Landschaft in einen glitschigen Morast verwandelte. Der Regen benachteiligte die Blankard, deren schwere Waffen und Rüstungen sie verlangsamten. Die Nantwiga, die sich leicht bewegten, nutzten dies aus, um schnelle Angriffe zu führen, doch die Teutatespriester der Blankard entzündeten ihre letzte Waffe: brennendes Öl, das sie auf die nassen Felder schütteten. Die Flammen zischten und loderten auf, und die Felder verwandelten sich in ein brennendes Inferno.

Die Widukin und Halvor, die auf den äußeren Flanken kämpften, waren gezwungen, sich näher an das Zentrum der Felder zu bewegen, wo der Kampf tobte. Nun standen alle vier Clans direkt gegeneinander, und das Chaos erreichte seinen Höhepunkt. Die Luft war erfüllt von Rauch, Schreien und dem Dröhnen von Waffen, die aufeinanderprallten.

Das Verstummen der Waffen

Als die Sonne des dritten Tages hinter den Bergen versank, waren die Falkenfelder ein Massengrab. Tausende Krieger lagen tot oder verwundet, und die Banner der Clans hingen zerschlissen in der Windstille. Keiner hatte den Sieg errungen. Die Widukin zogen sich lautlos zurück, die Nantwiga verschwanden in die Sümpfe, die Blankard kehrten in ihre Hügel zurück, und die Halvor schlossen die Tore ihrer Festungen.

Das Ende des Krieges

Die Plünderzeit

Nach der Schlacht zerfiel der Krieg in kleinere Überfälle und Plünderungen. Die Nantwiga kontrollierten die Sümpfe und Seen, die Blankarder hielten die Hügel, die Halvor zogen sich in die Berge zurück, und die Widukin verschwanden in den Wäldern. Das Land war verwüstet, und das Volk der Rauriker stand am Rand des Untergangs.

Dagny Mondquell rief schließlich zu einer Versammlung an der heiligen Steinrunde in Raurikor auf. Dort beschwor sie die Häuptlinge, den Bruderkrieg zu beenden. „Die Falkenfelder sind ein Mahnmal“, sagte sie. „Wir haben bewiesen, dass keiner von uns allein herrschen kann. Unsere Stärke liegt in der Einheit.“

Nach langem Streit stimmten die Häuptlinge zu, und ein neuer Pakt wurde geschmiedet: Die Clans sollten unabhängig bleiben, aber einander in Zeiten der Not beistehen.

Epilog

Der Clankrieg, oder Bruderkrieg wie er auch genannt wird, lehrte die Rauriker eine schmerzhafte Lektion. Noch heute erzählen Skalden von den Kämpfen auf den Falkenfeldern und den wilden Teutatespriestern der Blankard, den schnellen Speeren der Nantwiga, den undurchdringlichen Reihen der Halvor und den lautlosen Pfeilen der Widukin. Die Geschichte mahnt, dass Zwietracht das Volk zerstören kann – und dass die Rauriker nur gemeinsam überleben können.